Till Briegleb – Hanseatisch zäh

Süddeutsche Zeitung, Feuilleton, 29. November 2019

Ein Vernisagenrundgang über die Fleetinsel mit einigen von Hamburgs wichtigsten Galerien. Von Till Briegleb

Im neuesten Kino-Remake der „Drei Engel für Charlie“-Serie, das auch an ein paar Altbausammelstellen in Hamburg gedreht wurde, ist die Fleetinsel als Kulisse prominent im Bild und rechtfertigt damit mal wieder ihre Existenz als atmosphärisch bedeutende Kreativoase in Hamburgs Konsum- und Geschäftszentrum. Dabei war das Ende der Insel in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts schon besiegelt. Das Ensemble aus historischen Kontorhäusern mit Speichern zum Fleet sollte einem Riesenblock für Gewerbe und Hotels weichen und wurde nur durch den zähen Protest seiner Bewohner gerettet.

30 Jahre nach dem Kauf des Gründerzeitrestes unterhalb des Michels durch den Mäzen Hans Jochen Waitz und den Architekten Jan Störmer, mit dem der komplette Straßenzug als Kunst- und Kulturort erhalten wurde, ist sinnloser Abriss aber immer noch Thema am Ort. Allerdings nur in einer Ausstellung. Denn die Fleetinsel versammelt seit ihrer Rettung im Jahr 1989 einige von Hamburgs wichtigsten Galerien in Vorder- und Hinterhäusern. Und diese Kunstmarkt- Kollaboration veranstaltet seit den frühen Neunzigern alljährlich im Herbst einen Vernissage- Rundgang auf fünf Stockwerken, der zu den beständigsten Treffpunkten der norddeutschen Kunstszene gehört.

In diesem Rahmen stellt Michaela Melián unter dem Titel „Dishammonia“ bei Karin Guenther grafische Arbeiten zu bedrohten und bereits zerstörten Denkmalen der Moderne in Hamburg aus. Denn wichtige Identifikationspunkte der Stadt werden selbst dann herzlos abgerissen, wenn sie unter Schutz stehen und es alternative Nutzungskonzepte gibt. Das Hochhausensemble der City-Höfe, das gerade zerstört wird, findet sich auf Meliáns bedruckten Seidenschals und gewebten Gobelins ebenso wie das kürzlich abgerissene Deutschlandhaus, die verfallende Schilleroper und viele andere Architekturschätze, deren Behandlung die wahre Kulturlosigkeit der Stadtpolitik zeigt.